Umfrage zur Versorgung von Krebspatient:innen in der Schweiz: Gute Noten – und trotzdem nicht optimal
19. Mai 2022

Krebserkrankungen stellen für die Betroffenen, aber auch für das Gesundheitssystem eine grosse Herausforderung dar. Die Firma MSD hat in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut gfs.bern mit einer repräsentativen Umfrage erstmals ausführlich die Meinung der Bevölkerung zur Qualität der Krebsversorgung in der Schweiz untersucht. Dabei wurde eine breite Zustimmung zur derzeitigen Versorgungssituation deutlich, aber auch Verbesserungsmöglichkeiten vor und nach der Behandlung aufgezeigt.
Gemäss des Bundesamts für Statistik (2021) werden in der Schweiz jedes Jahr mehr als 40`000 neue Krebserkrankungen diagnostiziert, mindestens eine von fünf Personen erkrankt vor dem 70. Lebensjahr an Krebs1. Die gute Nachricht: Inzwischen scheint sich eine gewisse Stabilisierung bei den Neuerkrankungen abzuzeichnen1. Zudem sterben weniger Menschen an Tumorerkrankungen als früher1. Entsprechend gibt es in der Schweiz immer mehr Menschen, die mit Krebs leben oder ihre Krankheit besiegt haben. Sie alle sollten möglichst optimal versorgt werden. Dazu gehören, neben der eigentlichen medizinischen Behandlung, auch Massnahmen zur Vor- und Nachsorge und zur sozialen und psychologischen Betreuung. In einer von der Firma MSD in Auftrag gegebenen und von gfs.bern durchgeführten breit angelegten repräsentativen Umfrage wollte man wissen, wie die Qualität der Versorgung von Krebserkrankungen von der Schweizer Bevölkerung empfunden wird.
Gute Noten für die Versorgung von Krebspatient:innen
Vorneweg: Die Schweizer:innen nehmen an der Gesundheitspolitik regen Anteil. So gaben über 80 Prozent der Befragten an, dass sie an Gesundheitsfragen interessiert seien. Die Qualität der Versorgung von Krebspatient:innen wurde von fast 90 Prozent als gut, sehr gut oder hervorragend angesehen. Dieses positive Zeugnis fiel bei den selbst von Krebs Betroffenen mit einer Zustimmung von 95 Prozent noch deutlicher aus. Gerade die Erfahrungen mit der Versorgung der eigenen Erkrankung unterstreichen den Wert dieser ausserordentlich guten Einschätzung. Dafür ausschlaggebend waren vor allem das gute Gesundheitswesen in der Schweiz, das grosse Leistungsangebot, die gute Betreuung durch das Personal, die Qualität der Einrichtungen, der Zugang zur Behandlung und der unproblematische Austausch von Informationen. Vor allem die Erfahrungen im Spital wurde von den Befragten geschätzt. So bewerteten rund 80 Prozent der Umfrageteilnehmenden die dortige ärztliche und pflegerische Betreuung als positiv und auch mit der medikamentösen Behandlung war eine grosse Mehrheit zufrieden. Nur wenige der Befragten bemängelten die Therapien oder die Betreuungsqualität. Die überwiegende Mehrheit (85%) würde sich wieder auf den gewählten Behandlungsweg begeben.
Handlungsbedarf in der Krebsprävention und -frühdiagnose
Allerdings zeigt die Umfrage auch deutlich, dass in manchen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Unter allen Befragten waren jeweils rund 15 Prozent mit der Krebsfrüherkennung, der Krebsprävention und der Koordination unzufrieden. Jeder Fünfte wäre froh gewesen, wenn die pflegenden Angehörigen besser unterstützt worden wären. Ein knappes Viertel aller Befragten könnte sich zudem eine bessere psychologische Betreuung der Patient:innen und deren Angehörigen vorstellen. Unter den persönlich Betroffenen hätten sich sogar 36 Prozent frühere Präventionsinformationen gewünscht. Knapp die Hälfte von ihnen haderte mit dem Zeitpunkt der Diagnose. So wären 47 Prozent froh gewesen, wenn der Krebs früher entdeckt worden wäre. Auch die COVID-19-Pandemie hinterliess ihre Spuren. So mussten immer wieder Behandlungen verschoben werden. Während knapp die Hälfte der Patient:innen mit den Leistungen der behandelnden Spezialisten zufrieden waren, vermissten manche der Angehörigen eine ausreichende ärztliche Versorgung während der Pandemie.
Hingegen werden die grossen Anstrengungen zur Erforschung von Tumorerkrankungen von den Schweizern geschätzt. So glaubte in der Befragung eine deutliche Mehrheit von 57 Prozent an die Fortschritte der Krebsforschung in den vergangenen fünf Jahren (häufig jedoch ohne diese näher beschreiben zu können), nur ein Viertel der Befragten war der Meinung, es hätte in jüngerer Zeit keine oder kaum neue wissenschaftliche Erkenntnisse gegeben. Auch hinsichtlich einer zukünftig vollständigen Heilbarkeit von Tumorerkrankungen war über die Hälfte aller Befragten optimistisch.
Neue Krebsstrategie gefordert
Nur wenigen Befragten war die kürzlich beendete „Nationale Strategie gegen Krebs“ bekannt, sogar denjenigen nicht, die selbst von Krebs betroffen waren. Nach entsprechender Aufklärung gaben die meisten jedoch an, dass eine neue nationale Krebsinitiative für sie wichtig sei. Zurzeit existiert in der Schweiz als einzigem Land in Europa keine nationale Krebsstrategie. 72 Prozent der Befragten würden an einer möglichen Abstimmung über eine solche Gesetzesinitiative teilnehmen. Eine neue nationale Krebsinitiative könnte mit grossem Zuspruch rechnen, vor allem von Frauen, gesundheitspolitisch stark Interessierten und persönlich Betroffenen. Fast alle Befragten waren der Meinung, dass mit einer Krebsinitiative langfristig Geld gespart werden könne, dass die Krebsfrüherkennung und Prävention unterstützt werden solle, aber auch, dass die Koordination der Akteure und die Betreuung der Betroffenen verbesserungswürdig sei. Allerdings wurde dem Krebs gegenüber den vielen anderen schwerwiegenden Erkrankungen der Menschen keine besondere Rolle zugestanden. So sollten, gemäss der Mehrheit der Befragten, Tumorerkrankungen keine Sonderstellung in der Verfassung erhalten.
Die Umfrage
Für die von der Firma MSD in Auftrag gegebene und von gfs.bern durchgeführte repräsentative Umfrage zur Versorgung von Krebspatienten in der Schweiz wurde Ende des vergangenen Jahres (November/Dezember 2021) mit 1‘510 zufällig ausgesuchte Personen in der gesamten Schweiz mittels eines Online-Fragebogens oder Telefoninterviews ausführlich befragt. Dreiviertel der Teilnehmenden gaben an, dass eine ihnen nahestehende Person oder zumindest eine ihnen bekannte Person von einer Krebserkrankung betroffen war oder ist. Insgesamt elf Prozent (136 Personen) hatten selbst persönliche Erfahrung mit einer Krebserkrankung gemacht, drei Prozent waren zum Zeitpunkt der Befragung an Krebs erkrankt. Die Patient:innen waren operiert worden (76%), hatten eine Chemotherapie (32%), Strahlentherapie (29%), zielgerichtete Therapie (18%), Hormontherapie (15%), alternative Therapie (14%) oder Immuntherapie (11%) erhalten. Neun von zehn Erkrankten gaben an, sich in der Regel an die Behandlungsvorgaben gehalten zu haben.